Wir haben zu viel Autos keine Frage. Aber beim Verbrenner als Höhepunkt der individuellen Mobilität stehen bleiben, weil man meint "erst wenn man beim E-Auto nicht mehr das kleinste Haar in der Suppe findet" lohnt sich ein Umstieg?
Ne, das hast du missverstanden. Ich bin nicht dafür, weiter Verbrenner zu produzieren, sondern würde dafür plädieren, das private Auto generell auf den Prüfstand zu stellen. Ich frage mich, wie sinnvoll es ist, sich immer nur einzelne Aspekte unseres klimaschädlichen Lifestyles anzuschauen und zu versuchen, sie durch irgendwelchen Stromlösungen "umweltfreundlich" zu machen. Das Klimaproblem ist derart drückend und derart akut, dass eigentlich kaum noch Zeit für sowas bleibt, finde ich. Denn erneuerbare Energie ist im Vergleich zu fossiler Energie schwierig zu ernten und schwierig zu handhaben, mit anderen Worten, sie ist vergleichsweise knapp. In meinen Augen wäre ein Kassensturz besser: Wie viel Öko-Energie steht realistisch gesehen in 5, 10, 20 Jahren zur Verfügung, was können wir uns damit leisten, was nicht?
Ist die Welt damals vielleicht sogar aus dem Nichts ins Dasein geploppt und seitdem immer so geblieben, weil Veränderung und Fortschritt ja nicht existieren?
Natürlich ist die moderne Welt mit all ihren Kunstwelten, die überwiegend nützlich und angenehm sind, nicht aus dem Nichts gekommen. Wenn man das aber schon historisch sehen möchte, dann muss man sich das auch genau angucken.
Auch der Fortschritt selbst kam nicht aus dem Nichts, und er war auch nie allein für sich, nie abgekoppelt von sozioökonomischen Entwicklungen. Die große Fortschrittsexplosion kam eindeutig mit der Industrialisierung, mit dem Kapitalismus. Der wiederum braucht unbedingt Investitionsmöglichkeiten, was bedeutet, dass er entweder den technischen Fortschritt treibt oder - falls es nichts mehr zu entwickeln gibt, das sich kurzfristig vermarkten lässt - schlicht untergeht. Bislang gab es aber immer was, mehr als genug sogar, man denke nur an Autos, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik und heute immer wieder neue iPhones mit mehr Gigabyte und mehr Pixel, faltbar vielleicht, damit die Pixel alle draufpassen. Außerdem musste der Kapitalismus stets mit Energie befeuert werden, und zwar unmittelbar und durchgehend "aus dem Vollen geschöpft". Diese Energie-Party ist mit den EE eindeutig vorbei. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem und schließlich auf den Fortschritt, den dieses System bislang so maßlos befeuerte. Fortschritt muss in Zeiten existenzbedrohender Umweltprobleme anders organisiert werden, weil das System ja (so) nicht mehr laufen kann.
Außerdem ist zu bedenken, dass der kapitalismusgetriebene Fortschritt, den wir kennen und schätzen, nie etwas hervorgebracht hat, das
notwendigerweise hätte entwickelt werden müssen. Es war alles Zufall. Beispielsweise gab es in den 40ern keinerlei Aussichten auf Fortschritte im Bereich IT - es lohnte sich nicht. Das wäre auch lange, vielleicht für immer so geblieben. Dann schossen die Sowjets Sputnik ins All, das Wettrennen der Supermächte begann, in dessen Verlauf mit extremer staatlicher Förderung jene Technik entwickelt wurde, die sich später als El Dorado für kapitalistisches Profitstreben erweisen würde. Heute läuft jeder mit einem Smartphone durch die Gegend und führt dessen Existenz allein auf menschlichen Erfindergeist zurück. Was aber nur die halbe Wahrheit ist, wenn überhaupt.
Und du weißt das es nicht geht woher?
Oh, ich weiß es nicht. Ich bin aber auch nicht in der Beweispflicht. Das sind diejenigen, die behaupten, bestimmte technische Fortschritte würden ganz sicher kommen. Es ist ja zum Beispiel klar, dass für das Speicherproblem noch Lösungen gefunden werden müssen. Da ist gar nichts sicher. Es kann auch sein, dass wir da nicht weit kommen. Das Klimaproblem haben wir aber jetzt, und wir müssen jetzt massiv umsteuern. Eigentlich darf ab sofort gar kein Treibhausgas mehr in die Atmosphäre gelangen.